In dem Artikel «Merz ist Teil des Problems» der WoZ Nr. 7 vom 12. Februar bringt Rudolf Strahm die Verhältnisse um die UBS und ihr starrsinniges Führungspersonal auf den Punkt. Lesepflicht für SteuerzahlerInnen…
http://www.woz.ch/artikel/2009/nr07/schweiz/17506.html
Freisinnige Seilschaften
«Merz ist Teil des Problems»
Interview: Daniel Ryser
Die UBS zahlt ihren MitarbeiterInnen 2,2 Milliarden Franken Boni. Alt Nationalrat und Expreisüberwacher Rudolf Strahm über ein Schaustück der Manipulation durch die UBS und Finanzminister Hans-Rudolf Merz.
WOZ: Die UBS zahlt 2,2 Milliarden Franken Boni an ihre Mitarbeiter. Ist die Kritik daran, wie es Eugen Haltiner, Präsident der Finanzmarktaufsicht Finma, nennt, populistisch?
Rudolf Strahm: Diese Kritik hat einen emotionalen Aspekt, aber dies zu Recht. Jeder Bauer, der Direktzahlungen erhält, muss doch Auflagen erfüllen. 2,2 Milliarden Franken sind ein Drittel der Bundesgelder, die der Steuerzahler für die UBS aufbringt. Dass derart hohe Boni ausbezahlt werden, ärgert die Bürgerinnen und Bürger.
Doch plötzlich reden Bund und UBS gar nicht mehr von Boni, sondern von variablen Lohnanteilen. Wird hier nach einer mehrheitsfähigen Sprachregelung gesucht?
Es ist tatsächlich eine gemeinsame Sprachregelung von Finanzmarktaufsicht, UBS und Finanzdepartement. Dies ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Denn im Personalreglement der UBS und in allen Verträgen mit dem Schweizer UBS-Personal ist ausschliesslich von Boni die Rede. Variable Lohnanteile kommen da nicht vor. Dieser Begriff ist also das Produkt der Wortschöpfungskünstler. Dass sich der Schweizer Finanzminister dazu hinreissen lässt, im Fernsehen zu sagen, man dürfe jetzt nicht mehr von Boni reden, sondern nur noch von variablen Lohnanteilen, obschon das rechtlich anders geregelt ist, ist ein starkes Stück.
Die UBS hat im Herbst behauptet, sie sei vertraglich an Bonizahlungen gebunden.
Und wir wissen heute, dass es sich die Bank bei sämtlichen Verträgen in der Schweiz jederzeit vorbehalten kann, die Boni zu streichen. Es gibt ja nicht einmal vertraglich garantierte 13. Monatslöhne. Das war also eine weitere Schummelei. Die Öffentlichkeit wurde getäuscht.
Wer genau hat getäuscht?
Zuerst die UBS. Der Bundesrat korrigierte diese Aussage dann Ende Januar und sagte: 1,3 Milliarden Franken Boni seien tatsächlich vertraglich festgeschrieben.
Sind die 1,3 Milliarden festgeschrieben?
Das ist nicht im einzelnen Vertrag nachgeprüft worden.
Wie bitte?
Es handelte sich dabei um eine grobe Schätzung der Finanzverwaltung und der Finanzmarktaufsicht Finma.
Der Bundesrat erzählte aber etwas anderes.
Sie haben die Verträge aber nicht durchforstet! Wenn es überhaupt vertragliche Bindungen gäbe, dann gälte dies etwa für die UBS in den USA oder Brasilien. Die Schweizer Steuerzahler bezahlen also die Boni der US-Abzockerbanker mit.
Sie sagen also, dass der Bundesrat einfach etwas Ungeprüftes behauptet?
Die angeblichen 1,3 Milliarden Franken an vertraglich gebundenen Lohnanteilen war eine nicht nachgeprüfte Schätzung und betraf erst noch die UBS-Mitarbeiter im Ausland.
UBS und Bundesrat sagen, dass ohne Boni die besten Banker von anderen Firmen abgeworben werden.
Man kann doch nicht von Abwerbung in grossem Stil reden, wenn auf allen Finanzplätzen Tausende von Bankleuten entlassen werden. Und überhaupt: Kann das die Aufgabe der Schweizer Steuerzahler sein? Und wie soll denn die Leistung der Banker, die als Basis für die Boniauszahlung dient, bewertet werden? Diese Leistung bestand ja aus fiktiv und spekulativ aufgeblasenen Gewinnen.
Zusammengefasst: Wir werden von UBS und Bundesrat für dumm verkauft.
Die ganze Bonigeschichte ist ein Schaustück der Meinungsmanipulation durch die Bank, und dies mit öffentlicher Verwirrungshilfe. Fast alle andern Länder limitieren die Boni jetzt von Staats wegen.
Wie kommt Finanzminister Hans-Rudolf Merz dazu, Teil dieses Schaustücks zu sein?
Aus Willfährigkeit gegenüber den Banken. Wer die Schweizer Wirtschaft kennt, weiss, dass der grosse Teil der Arbeitnehmenden aus innerer Motivation hart arbeitet, aus Freude an der Arbeit etwa, wegen der Identifikation mit dem Betrieb, wegen der Berufsethik. Und die Gratifikation ist sicher jeweils eine Freude. Aber man muss doch jetzt mal die Behauptung entkräften, dass Boni in der Höhe Hunderttausender Franken oder gar Millionen der einzige Anreiz seien. Diese Boniargumentation ist ein staatlich abgesegnetes Täuschungssystem, das jetzt in die Krise gekommen ist.
Ist Hans-Rudolf Merz denn ein Teil der Lösung oder ein Teil des Problems?
Er ist ein Teil des Problems, und zwar weil er – im Vergleich zu seinem Vorgänger Kaspar Villiger – eine hohe Willfährigkeit gegenüber den Banken an den Tag legte.
Die WOZ forderte es letzte Woche: Merz muss weg!
Ich lasse mich als ehemaliger Parlamentarier nicht auf die Äste hinaus. Bleiben wir bei den Fakten: Festhalten muss man, dass es die Kameraderie zwischen Bankenaufsicht und Bankenszene schon vor der Bundesratszeit von Hans-Rudolf Merz gegeben hat.
Dass sich das nicht geändert hat, ist nicht unbedingt ein Leistungsausweis für Merz.
Natürlich nicht. Sehen Sie, schon Kurt Furgler hatte einen von Otto Stich portierten Kandidaten für die Eidgenössische Bankenkommission verhindert, weil dieser als SP-Mitglied als zu bankenkritisch galt. Seit je und bis heute pflegt diese Aufsichtsbehörde eine Schonkultur gegenüber den Banken. Dahinter steht die korporativstaatliche Idee der Selbstregulierung nach dem Motto: Die Kontrollierten kontrollieren ihre Kontrolleure selber. Ein Beispiel für diese Schonkultur von oben: Die Schweizer Börse hatte von 1998 bis 2007 450 Meldungen an die EBK gemacht wegen Verstössen gegen das Börsengesetz. 30 davon brachte die EBK beim Finanzdepartement zur Anzeige. Davon wurden 29 aber vom Departement nicht weiterverfolgt. In einem einzigen Fall kam es zu einer Busse von 50 000 Franken. Was angesichts des Regelverstosses wenig war.
Man will also gar keine richtige Kontrolle. Warum?
Das gehört zum korporativstaatlichen Grundverständnis. In den neunziger Jahren wurde dies verstärkt durch den grassierenden Selbstregulierungswahn. Auch die Konstruktion der heutigen Finanzmarktaufsicht Finma, die seit Anfang Jahr die EBK abgelöst hat, wurde Ende der neunziger Jahre aufgrund des Deregulierungswahns konzipiert. Man machte aus der EBK-Behörde einen Verwaltungsrat und aus dem Sekretariat eine Direktion. Schon die Sprache zeigt: Man wollte die staatliche Regulierung an eine Art Firma auslagern. Man war dadurch nicht auf die Krise vorbereitet.
Das ging so lange gut, wie die Sonne schien. Jetzt regnet es in Strömen …
Die Finma ist eine Schönwetterbehörde aus der Zeit der Deregulierung. Jetzt fehlen ihr die Instrumente. Sie ist nicht konzipiert für die globalisierten Verflechtungen und globalen Risiken. Die EBK war mehrheitlich mit Bankenleuten bestückt. Sie waren und sind vor allem Juristen. Die ökonomische Fachkompetenz bei der Beurteilung von Systemrisiken war völlig ungenügend, sowohl im Sekretariat wie in der Kommission. Das ist heute bei der Finma nicht besser.
Präsidiert wird die Finma von Eugen Haltiner. Er wurde von Merz eingesetzt. Die Grünen fordern inzwischen seinen Rücktritt …
Haltiner ist eine Fehlbesetzung. Erstens, weil er von der UBS kam, zweitens, weil er aufgrund einer Pleitegeschichte (der Niedergang des Erb-Imperiums, siehe WOZ Nr. 44/08, Anm. d. Red.)angeschlagen war und seinen Sessel bei der UBS räumen musste, bevor er dank Merz oberster Bankaufseher wurde. Zudem war Haltiner eine schlechte Wahl, weil er in der Schweizer KMU-Szene verhasst war, da er in den neunziger Jahren bei der UBS Hauptverantwortlicher war für hohe Zinsen. Die UBS hatte in jener Zeit für Geschäftskredite, Betriebskredite an KMU, sieben bis zehn Prozent verlangt. Das hat das Wachstum gebremst.
Wie kam Hans-Rudolf Merz dazu, einen derart angeschlagenen Mann zum höchsten Bankaufseher zu machen?
Es ist eine freisinnige Seilschaft. Die WOZ hat ja beschrieben, wie der damalige SBG-Mann Haltiner Merz Mitte der neunziger Jahre geholfen hat, die Ausserrhoder Kantonalbank zu retten. Damals war Merz noch nicht Politiker, sondern Verwaltungsratspräsident der Bank. Das war ein grosser Erfolg für ihn. Er wurde als Sanierer zum Lokalstar. Das hatte er vor allem auch Haltiner zu verdanken. 2004 hat Merz dann Haltiner zum EBK-Präsidenten gemacht. Kritik gab es damals schon, aber bloss hinter vorgehaltener Hand. Sie verpuffte. Damals befanden wir uns noch in der Schönwetterperiode.
Was würde einen guten Überwacher ausmachen?
Eine Regulationsbehörde, ungeachtet in welchem Bereich, muss sich in der Branche Respekt verschaffen. Das heisst, sie muss auch einschneidende Entscheide fällen. Sie muss sich marktpolitisch unabhängig verhalten. Und sie braucht Mut und Konfliktfähigkeit, weil es um grosse Streitsummen geht. Die EBK und heute die Finma haben das Vertrauen sogar in den Augen bürgerlicher Politiker und der Wirtschaftswelt verloren. Als Regulationsbehörde könnte die Finma ja Verfügungen erlassen, aber sie verhandelt immer. Das Lieblingswort dabei ist «austarieren», was nichts anderes heisst, als es vor allem den Banken recht machen.
Eugen Haltiner verteidigt öffentlich die Bonizahlungen. Die Schonkultur geht auch in der Krise weiter.
Bis heute hat Haltiner nicht gemerkt, dass er eigentlich eine neutrale, unparteiische staatliche Regulationsbehörde leiten müsste. Er hätte es in der Hand gehabt, die neue Finma anders zusammenzusetzen. Er hätte es in der Hand gehabt, gegenüber der UBS strengere Boniregeln durchzusetzen. Er hätte es neuerdings in der Hand gehabt, bei den Kickbacks der Vermögensverwalter keine Sonderrechte für die Banken zuzulassen. So lange die Finma von ihm geleitet wird, ist das Vertrauen in diese Behörde im In- und Ausland dahin.
Rudolf Strahm
Rudolf Strahm sass von 1991 bis 2004 für die SP im Nationalrat. Von 2004 bis 2008 hielt der Finanzexperte das Amt des Schweizer Preisüberwachers inne. Heute ist er unter anderem Lehrbeauftragter an den Universitäten Bern und Zürich.
WOZ vom 12.02.2009