Die Wirtschaftswissenschaften haben das Glück entdeckt.

Mittlerweile ist die sozialswissenschaftliche Glücksforschung sogar schon in der Wirtschaft angekommen. Aus einem Artikel im E-Magazine der Credit Suisse vom 09.12.1999 „Glück ist messbar“:
„Seit der Antike wird zwischen «Glück haben» und «glücklich sein» unterschieden. Glück, im Sinne von glücklich sein, gehört zu den primären Emotionen des Menschen, gleich wie Freude, Trauer, Furcht und Wut. Kein Wunder, dass sich verschiedene Berufsgruppen mit dieser Art Glück beschäftigen. Am einfachsten ist die Aufgabe für die Neurologen. Für sie ist klar: Alles, was Menschen fühlen und denken, ist das Ergebnis komplexer Vorgänge zwischen Hormonen und Nervenzellen im Gehirn. Für die Emotionen zuständig sind «Gemütsmoleküle». Über 100 solcher Stoffe haben die Wissenschaftler bisher identifiziert. Als «Glücksboten» gelten vor allem Serotonin und Dopamin; zusammen mit Adrenalin und Noradrenalin sorgen sie für gute Stimmung. Insgesamt rechnen die Wissenschaftler mit tausend chemischen Boten, welche das Spektrum menschlicher Gefühle steuern. Die Fähigkeit, Glück zu empfinden, verdankt die Menschheit also der Chemie. Doch das hilft wenig – ausser denen, für die Wohlempfinden aus einem Cocktail von Glückspillen besteht.

Viel komplexer ist die Frage, wie man das menschliche Chemielabor zum Kochen bringt. Eine Unmenge von Ratgeberbüchern, Seminaren und Therapiemöglichkeiten versprechen dazu Antworten. Dass sich Psychologen mit den menschlichen Freuden und Leiden beschäftigen, liegt auf der Hand. Ihr Beruf ist allerdings vorwiegend auf Unglück fixiert. Kein Wunder, dass 17-mal mehr Fachartikel zu negativen Facetten des menschlichen Gemüts publiziert wurden als zu positiven.

Dass dennoch immer mehr Studien zum Thema «Glück» gemacht werden, dafür haben in den letzten Jahren namhafte Ökonomen gesorgt. Einer von ihnen ist Andrew J. Oswald. Unlängst gab der Brite in einem Interview zu Papier: «Wir Ökonomen haben die Aufgabe, erstens herauszufinden, was das Glück der Menschen fördert oder schmälert. Zweitens müssen wir nach den Strukturen suchen, welche zur Entfaltung des Glücks beitragen.» Und die Glücksforscher unter den Ökonomen machen sich mit den Sozialpsychologen so ans Werk, wie es sich für die Zunft gehört: Sie arbeiten mit Statistiken – und messen das Glück. Ihre Motivation ist schlicht: Wenn Glück nicht messbar wäre, und die Faktoren, die es beeinflussen, nicht bekannt, so wäre es für die Menschen unmöglich, ein angenehmeres Leben anzustreben. «Ich finde es erstaunlich, wie wenig sich Ökonomen dafür interessieren, wie viel Glück sich eine Volkswirtschaft mit der Verbesserung ihrer ökonomischen Effizienz eigentlich einkauft», sagt Oswald. «Das sind wesentliche Fragen; die Welt könnte etwas besser sein, wenn wir sie mit mehr Nachdruck stellten.»

Die Studien der Glücksforschung zeigen, dass weltweit allgemeingültige Einflüsse auf das menschliche Wohlempfinden existieren – ungeachtet der kulturellen Unterschiede zwischen den Nationen oder Volksgruppen. Ruut Veenhoven von der Erasmus-Universität in Rotterdam trägt seit Jahren Daten und Untersuchungen aus aller Welt zu einer Glücksdatenbank zusammen, zur World Database of Happiness. Obwohl sich erst zu rund 50 Ländern verlässliche Aussagen machen lassen, ermöglichen die Daten Ländervergleiche – nicht zum Selbstzweck, wie Veenhoven erklärt, sondern um die Bedingungen zu identifizieren, welche die Lebensfreude positiv beeinflussen.

Westler haben mehr zu lachen

In Sachen Glücksempfinden gibt es grosse Unterschiede unter den Weltgegenden: Menschen in Asien und Afrika etwa sind im Durchschnitt am wenigsten glücklich; jene in der westlichen Welt weisen die grösste Zufriedenheit aus.

Innere und äussere Faktoren spielen dabei eine Rolle. Die Daten der äusseren Umstände, die das Leben prägen, zeigen unter anderem, dass Menschen glücklicher sind:

– je reicher ihre Länder
– je grösser die Autonomie und politische Freiheit im Lande
– je grösser die Gleichberechtigung von Mann und Frau
– je kleiner die Unterschiede unter den sozialen Schichten
– je toleranter ihre Staaten
– je grösser der Zugang zu Bildung und Information
– je kleiner die Arbeitslosenzahlen
– je moderner ihr Staat

«Diese Resultate werden jene überraschen, die die Modernität mit Auswüchsen und Entfremdung gleichsetzen», konstatiert Ruut Veenhoven. «Eine moderne Lebensweise kann zwar Probleme bringen, ihre Vorteile sind aber in den Augen der Menschen grösser.» Wie sehr das Fehlen von politischer Stabilität und ökonomischen Perspektiven das Wohlergehen der Menschen in einem Staat beeinflussen kann, zeigt der amerikanische Psychologe Ed Diener. Er erwähnt in einer seiner Studien die weltweit kleinste je ausgewiesene Lebenszufriedenheit; sie wurde 1962 in der Dominikanischen Republik gemessen. Auf einer Skala von 0 (sehr unzufrieden) bis 10 (total zufrieden) gaben die Dominikanerinnen und Dominikaner durchschnittlich eine Wertung von 1,6 Punkten. Erhoben wurde die Statistik, als der Karibikstaat eine ungewisse Zeit durchlebte: zwischen dem Sturz des Diktators Trujillo und dem Übergang zur Demokratie.

Neben den äusseren Umständen haben individuelle Unterschiede Konsequenzen auf das Lebensglück. Hier zeigt Veenhovens Datenschatz:

– Menschen in sozial vorteilhaften Positionen haben mehr Freude am Leben.

– In den meisten Ländern sind Junge und Alte gleich glücklich, ebenso Frauen und Männer.

– Verheiratete Menschen sind glücklicher als unverheiratete oder geschiedene.

– Menschen mit Berufsausbildung sind glücklicher als solche ohne.

– Menschen sind glücklicher, wenn sie in guter physischer Verfassung sind und voller Energie.

– Die Höhe des Einkommens beeinflusst das Glück kaum; ausgenommen sind Menschen in armen Ländern, wo der Lohn kaum zum Überleben reicht: Hier ist das Einkommen als Faktor fürs Glück sehr wichtig.“
Quelle: http://emagazine.credit-suisse.com

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